Neulich waren Johanna und ich zum gemütlichen Abendessen und Beisammensein im Garten von Nachbarn eingeladen worden. Insgesamt waren wir neun Personen, von denen ich drei nicht kannte, entweder weil sie noch nicht lange in unserer Straße wohnen oder selten zu Hause sind. Dazu gehörte auch ein junger Mann, neben dem ich Platz nahm.
Wie üblich bei solchen Anlässen, kam bald die Frage nach unserer beruflichen Tätigkeit auf. Ich erfuhr, dass er Politikwissenschaftler ist und sich intensiv mit Konfliktforschung beschäftigt hat. Als ich dann an der Reihe war, von meinem beruflichen Werdegang zu erzählen, kamen wir zwangsläufig auch auf das Thema des christlichen Glaubens zu sprechen. Er offenbarte sich als Atheist, was zu einem spannenden, zweistündigen Gespräch führte, in dem wir verschiedene Aspekte des Glaubens diskutierten.
Drei Punkte aus unserem Gespräch fand ich besonders interessant. Erstens erzählte er mir, dass er aufgrund seiner Arbeit in der Konfliktforschung zu dem Schluss gekommen sei, dass der einzige Weg zu einem nachhaltigen Ende von Konflikten der Akt der Vergebung sei. Dabei betonte er auch, dass er dem Leben und Worten von Jesus Christus voll und ganz zustimme. Er könne nur nicht glauben, dass es "da oben" (wir saßen unter dem Sternenhimmel) "einen gibt, der alles lenkt".
Mir wurde zweitens im Verlauf unseres Austauschs erneut bewusst, dass der Atheismus letztlich auch ein Glaubenssystem ist, bei dem man aus "Mangel an Beweisen" etwas glaubt, möglicherweise sogar an den Mangel selbst.
Der dritte Schwerpunkt unseres Gesprächs ergab sich aus meiner Aussage, dass ich ein Fundamentalist bin. Ich benutze dieses Wort gerne, um auf die gewöhnlich hochgezogenen Augenbrauen meines jeweiligen Gesprächspartners hin zu erklären, was ich damit meine. Zudem ärgert es mich, dass dieses schöne Wort so negativ verwendet und interpretiert wird.
Ich erklärte ihm, dass es ein bestimmtes Fundament in meinem Leben gibt, das sich bisher in allen Herausforderungen als stabil erwiesen hat. Weder Umstände, alternative Angebote, Überzeugungsversuche, Krankheit und Leid, ja nicht einmal Zeiten des Zweifels konnten meinem Fundament Schaden zufügen oder es erschüttern. Es wurde vor einigen Jahrzehnten gelegt, als ich die Einsicht gewann, dass der christliche Glaube historische Grundlagen besitzt, positive Auswirkungen auf das Zusammenleben von Menschen hat, im persönlichen Leben erfahrbar ist und Antworten auf die großen Fragen des Menschen bietet.
Mein Gesprächspartner hörte aufmerksam zu, als ich ihm von meiner Lebensgrundlage berichtete, und signalisierte mir bei unserer mitternächtlichen Verabschiedung, dass der positive Blick auf ein festes Fundament, auf dem man gerne und sicher steht, für ihn eine positive und neue Denkanregung ist. Der Begriff „Fundamentalist“ hatte für ihn einen neuen Klang bekommen.
Für mich war das Gespräch ebenfalls eine bereichernde Erfahrung, da wir trotz unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen einander respektiert und so eine echte Begegnung ermöglicht haben.
Ob meine Argumente und Erzählungen ihn dazu bringen werden, sie gegenüber denjenigen abzuwägen, die für den Atheismus sprechen, vermag ich nicht zu sagen. Ich hoffe jedoch, dass wir unser Gespräch fortsetzen werden.
Für die kommende Woche wünsche ich dir inspirierende Gespräche mit interessanten Menschen.
Alles Gute. Rainer
Comments